HMC-Classics: The Legend of Osaya


Erstrezension vom 27. Juli 2002 – Von 1999 bis 2002 drehten die beiden jungen Brüder Julian und Emanuel Wiehl mit ihren Freunden in Vorarlberg unter dem Namen Kerubia Entertainment den knapp zweistündigen Fantasyfilm „The Legend of Osaya“. Das Ganze erinnert aufgrund der Jugendlichkeit der Darsteller mehr an eine Schulaufführung, dennoch halte ich den Fantasyfilm für ein Leuchtturmprojekt der damaligen Amateurszene. Vorarlberg schien auch generell damals ein Hotspot für fantastische Verfilmungen zu sein, siehe auch „Faust – Der Musicalfilm“ von Visual Dreams.


© Kerubia Entertainment

50 Jahre sind seit den Elfenkriegen vergangen, und die Völker von Osaya leben entzweit, aber in Frieden nebeneinander. Doch aus dem Norden erhebt sich ein finsterer Schatten…

Der Zwerg Averian (Gerrit Kinkel) hetzt durch die Wälder – seine Verfolger sind ihm dicht auf den Fersen. Nur mit knapper Not kann der Botschafter aus Quirm entkommen und vor Saydia, Königin der Feen (Sarah Peter), treten. Doch die Feen sind kein kriegerisches Volk und können Averian nur eine der ihren als Geleit nach Kundri Asan, dem Sitz des Erzkanzlers von Osaya, geben. Zur selben Zeit, als die Fee Lanya (Silke Sohler) Averian nach Kundri Asan begleitet, macht sich der Imkerjunge Timion (Johannes Emerich) auf den Weg, um Handel mit den Wiesenbewohnern zu treiben. Doch als er bei ihnen ankommt, werden diese gerade von den feindlichen Heerscharen niedergemetzelt. Mit Müh und Not entkommen Timion und Königin Saydia dem dunklen Lord Seikes Varag (Emanuel Wiehl) und seinen Vasallen. Lord Varag handelt im Auftrag der Triade, die noch eine alte Rechnung mit Kundri Asan offen haben. Was die Triade nicht ahnt: Varag hat ganz eigene Pläne…

© Kerubia Entertainment

Nach einigen Abenteuern auf dem Weg treffen Lanya, Averian, Saydia und Timion gemeinsam in Kundri Asan ein. Erzkanzler Nejjarin (Roland Öller) und sein Berater Salak (Clemens Fessler) sind einigermaßen bestürzt von den Neuigkeiten: Die Stadt braucht unbedingt Unterstützung. Kanzler Nejjarin hat bereits Verstärkung von den Steppenreitern von Gobldar angefordert. Saydia bietet sich an, mit den zurückgezogen lebenden Elfen zu sprechen. Schon am nächsten Tag brechen Timion und die Königin zum Wald der Elfen auf, wo sie auf Fürst Illarius (Andreas Mangold) treffen. Nach anfänglichem Misstrauen willigen die Elfen ein, Kundri Asan zu helfen. Während Saydia und Timion noch Rat und Unterstützung vom weisen Borkenrat holen, bereiten sich Fürst Illarius, Prinz Prywin (Manuel Sinz) von den Steppenreitern und Kanzler Nejjarin in der Hauptstadt auf die Schlacht vor. Einen Trumpf gegen die starke Armee des Feindes hat der Erzkanzler noch: Er hofft auf den Schutz eines magischen Kristalls. Doch Verräter lauern am Hof…


© Kerubia Entertainment

Noch bevor der Film anfängt, folgt ein Hinweis, dass die Vorarlberger Emanuel und Julian Wiehl ihr Erstlingswerk im Alter von 14 bzw. 16 Jahren starteten. Nach drei Jahren Produktionszeit und Kosten von umgerechnet 36.340,- Euro (Anm.: Es war von rund 100.000 Schilling die Rede – und man kann aufgrund der Umrechnung in Euro erkennen, dass die Währungsumstellung noch nicht soooo lange zurücklag.) stellten die beiden Brüder und ihre Gruppe Kerubia Entertainment einen 116-minütigen Fantasyfilm auf die Beine. Ein einzigartiges Experiment, das man absolut als gelungen bezeichnen kann; allerdings macht die Jugendlichkeit der Akteure dem Werk – in seiner Gesamtheit gesehen – einen kleinen Strich durch die Rechnung.

So erinnert z.B. die gebotene schauspielerische Leistung an eine Schulaufführung. Durchaus verständlich, denn den jugendlichen Darstellern – teils Kinder noch – in bunten Gewändern nimmt man ihre dramatischen Rollen nicht ab. Zwar merkt man den jungen Schauspielern ihr großes Bemühen an, trotzdem gerät das Ganze vor allem bei tieferen Gefühlen wie Trauer oder Liebe nicht selten ins Lachhafte. Die unglaubhaft dargestellte Erschütterung des Erzkanzlers über die Ermordung der Feen sei hier nur beispielsweise angeführt.

© Kerubia Entertainment

Doch Halt! Trotz des offensichtlichen und stets präsenten Mankos fühlt man sich bald in den Film hineingezogen. Das ist vor allem der äußerst gelungenen Story der Brüder Wiehl zu verdanken. Zugegeben, die Geschichte ist keine Novität im Bereich Fantasy, manchen Szenen merkt man auch die Vorbilder (Star Wars, Herr der Ringe) an – dennoch verblüfft sie durch Tiefe, ausgefeilte Charaktere (abgesehen von der Qualität der Schauspieler) und Struktur. Es ist mehr als beachtlich, dass bei einem derart langen Film der Handlungsfaden nie aus den Augen verloren wird.

Zu einem Fantasyfilm gehören natürlich auch jede Menge Kostüme und Requisiten. Auch hier hat die Crew von Kerubia Entertainment Beachtliches geleistet: Bei der Menge an Schauspielern und Statisten dennoch eine halbwegs ansprechende Garderobe aufzubieten – da muss man einfach den Hut ziehen. Andererseits – wie eingangs erwähnt – fühlt man sich durch die Buntheit an eine Schulaufführung erinnert. Auch haben die aus Holz gefertigten und mit Silberpapier überzogenen Waffen eine gewisse „Playmobil“-Optik an sich.

© Kerubia Entertainment

Zu den Highlights des Films zählen auf jeden Fall die Locations. So wurde in einer richtigen Burg gedreht – aber auch selbst gebaute Sets, wie eine Waldsiedlung und ein magisches Tor, das in einen Berg führt, zeugen von Durchsetzungs- und Improvisationsvermögen der Filmer. Eine glückliche Hand beweist Regisseur Julian Wiehl auch bei Massenszenen – seien es nun Sequenzen auf einem Markt oder in einer Schlacht. Am besten gelungen ist jedoch eine Feuerbestattung am See.

Fazit: Das Land Osaya, in dem die Völker der Elfen, Zwerge, Feen und Menschen misstrauisch aber friedlich nebeneinander leben, wird von der Dunklen Armee, an deren Spitze Lord Seikes Varag steht, bedroht. Während die Völker Osayas sich zu einem letzten Aufgebot vereinen, begeben sich der Junge Timion und die Feenkönigin Saydia auf eine gefährliche Mission… Das Erstlingswerk der Vorarlberger Filmgruppe Kerubia Entertainment unter Leitung der Brüder Emanuel und Julian Wiehl ist eine zwiespältige Sache: Einerseits nimmt man den äußerst jugendlichen Darstellern ihre Rollen nicht ab, andererseits verblüfft der 116-minütige Film mit einer detailreichen und durchstrukturierten Story, tollen – teilweise selbstgebauten – Locations (Burg, Waldsiedlung, magisches Tor, etc.) und einem beeindruckenden Improvisationsvermögen.

Rodja Pavlik

INFO: Kerubia Entertainment: „The Legend of Osaya“ – A 1999 – 2002, Fantasy – 116 min. Regie: Julian Wiehl. Drehbuch: Julian und Emanuel Wiehl. Kamera: Herwig Bartalszky. Schnitt: Julian Wiehl. Special Effects: Die Medienagentur. Produzent: Julian Wiehl. Darsteller: Sarah Peter, Johannes Emerich, Gerrit Kinkel, Silke Sohler, Andreas Mangold, Manuel Sinz, Emanuel Wiehl, u.a.. – damaliger Preis (exkl. Versand): 12,- Euro (Anm.: für eine VHS-Kassette).

Nachspiel: Eigentlich hatte ich erwartet, dass die beiden Brüder Julian und Emanuel Wiehl nach diesem fantasievollen Mammut-Werk weiter in die filmische bzw. erzählerische Richtung gehen würden. Doch erstaunlicherweise hörte ich da nicht mehr sehr viel. Emanuel Wiehl wurde Grafikdesigner. Von Julian Wiehl weiß ich, dass er unter Kerubia noch weitere Kurzfilme drehte und sich an der Filmakademie bewarb. Ob er es schaffte, entzieht sich allerdings meiner Kenntnis. Allerdings dürfte sich mit der Zeit auch sein Fokus verlagert haben, denn er machte sich einen Namen als Herausgeber von „Vangardist – Progessive Queer Magazine“ – und da blieb wohl nicht mehr viel Zeit für Filme machen. „Vangardist“ trat aber noch als Unterstützung für den mehrfach ausgezeichneten und wirklich sehenswerten Kurzfilm „Homophobia“ von Gregor Schmidinger auf, der hier ja auch schon mal vorgestellt wurde.

Und ich bilde mir ein, dass ich Julian Wiehl auch noch als Popcorn schmausenden Kinogänger in einem Cineplexx-Spot gesehen habe – das kann ich allerdings nicht beschwören.

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