Proll Out – Vom Hörspiel auf die Leinwand


(copyright Thomas Zeug)
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Für das deutsche Filmemacher-Magazin „zoom“ (Ausg. 5/2013) habe ich voriges Jahr den Animationsfilmemacher und Autodidakten Thomas Zeug über seinen 3D-Film „Quiqueck & Hämat: Proll Out“ interviewt. Den Artikel darf ich nun mit Genehmigung von „zoom“ hier veröffentlichen.

Zeugs „Quiqueck & Hämat: Proll Out“ wird übrigens am 21. März 2014 im Rahmen eines Sci-Fi-Double-Features zusammen mit „Cut Character von Stephan Lenzen und Thomas Manglitz im Wiener Tonkino Saalbau gezeigt. Weitere Infos folgen noch.

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Die Frage, ob es irgendwo da draußen im Weltall intelligentes Leben gibt, kann Thomas Zeug ganz klar beantworten: Nein! Der 26-jährige Regensburger hat in seiner Freizeit mit der Sci-Fi-Komödie „Quiqueck & Hämat: Proll Out“den wohl aufwändigsten Independent-Animationsfilm Deutschlands gedreht.

Der Weltraum, unendliche Blödheiten. Wir schreiben das Jahr 2013. Dies sind die Abenteuer von Quiqueck und Hämat, die mit ihrem Raumschiff, der QSS Bulldock, unterwegs sind, um die Erde und das Leben ihrer Bewohner zu erforschen. Viele Lichtjahre von ihrem Heimatplaneten entfernt dringen die beiden schusseligen Raumfahrer in Sphären vor, die nie ein Quiquillaner zuvor gesehen hat – erst recht nicht in 3D. Doch ihre Forschungsmission wird von fiesen Prollianern sabotiert, die nur eines im Sinn haben: Gigantische Raumschlachten mit ohrenbetäubenden Explosionen, unterlegt mit einem fantastischen Musikscore – und das im Weltall, wo es eigentlich keinen Schall gibt.

(copyright Thomas Zeug)
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Schnitt auf: Thomas Zeug, seines Zeichens Erdling. Der 26-jährige Bayer ist der geistige Vater von Quiqueck und Hämat und entwirft hauptberuflich als Creative Motion Artist 2D- und 3D-Grafiken. In seiner Freizeit allerdings hat er schon in Teenie-Jahren mit dem Filmen angefangen, wobei sich der autodidaktische Schwerpunkt von Real- zunehmend auf Animationsfilme fokussierte. Haupthelden seiner auch mit Preisen ausgezeichneten Geschichten damals waren animierte Lego-Männchen („Zurück in die Zukunft I + II“, 2003 und 2005 ) bzw. ein Kreis mit zwei Augen, Nase, Mund und zwei Händen und Füßen, genannt Rolly („Rolly im Waffenmuseum“, 2005). Und genau diese „Kindergartenzeichnung“ sollte der bis dato größte Erfolg des Regensburger werden. 2007 versuchte nämlich Rolly in „Rollygeddon“ – eine Persiflage auf den Katastrophenthriller „Armageddon“ (1998) von Michael Bay – die Erde in einer Laufzeit von knapp über 30 Minuten vor einem Asteroiden zu retten. Der Film wurde mehrfach preisgekrönt, unter anderem erhielt Zeug im Beisein des Comedian und Regisseurs Michael „Bully“ Herbig den mit 10.000 Euro dotierten Rookie-Award bei der Jupiter Verleihung 2008.

Noch lange nicht genug

Seit „Rollygeddon“ hat sich viel getan: Zeug hat sein Hobby zum Beruf machen können und arbeitet nach einer Ausbildung als Mediengestalter Bild und Ton nun bei der Sendergruppe ProSiebenSat.1. Ganz ausgelastet dürfte er dabei nicht sein, denn seit 2008 tüftelte er an seinem wohl ehrgeizigstem Projekt, dem 3D-Animationsfilm „Quiqueck & Hämat: Proll Out“, der 2013 seine Premiere feierte.

(copyright Thomas Zeug)
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Die 53-minütige Komödie basiert auf einem von Thomas Zeug entworfenen Hörspiel-Podcast mit 36 Folgen, die er großteils 2006 für ein Web-Radio aufgenommen hat. Darin geht es um Quiqueck und Hämat, zwei Abgesandte des Nebulanischen Bundes, die die Menschen beobachten sollen. Durch ein Missgeschick werden ihre Berichte aber nicht zu ihrem Heimatplaneten geschickt, sondern auf die Erde ausgestrahlt. Schon beim Schreiben hatte Autor Zeug so starke visuelle Eindrücke in sich, dass er unbedingt mit den beiden Außerirdischen einen Film machen wollte: „Der Vorteil der filmischen Inszenierung liegt vor allem darin, dass man komplexere Geschichten erzählen kann, da sich die Charaktere nicht lange damit aufhalten müssen, die Umgebung zu beschreiben oder dem Zuhörer klar zu machen, wo sie gerade sind. Beim Film sieht man das einfach“, erzählt Zeug. „Bei ‚Proll Out‘ habe ich schon bei der Storyentwicklung darauf geachtet, möglichst bildbezogene Handlungsstränge zu entwickeln. Eben das, was in den Hörspielen nicht möglich war. Verfolgungsjagden und große Actionszenen bieten sich für so was natürlich an.“

Durch die große Anzahl an Hörspiel-Folgen konnten sich die Figuren und ihr Umfeld sehr stark entwickeln und festigen. „Quiqueck und Hämat haben mit der Zeit ihren jeweils eigenen unverwechselbaren Charakter entwickelt. Auch durch die Möglichkeit, Sachen einfach ausprobieren zu können, habe ich viel gelernt. Ein Hörspiel ist im Vergleich zum Film relativ unaufwändig zu produzieren. So kann man einiges viel leichter austesten und üben. Gerade das Schreiben von lebendigen Dialogen und umgangssprachlichen Unterhaltungen konnte ich beim Film besser anwenden, da ich mit der Zeit gemerkt habe, was funktioniert und was nicht“, erklärt Zeug, warum die Hörspiel-Serie die perfekte Vorbereitung für den Animationsfilm war.

(copyright Thomas Zeug)
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Bis an die Grenzen des Machbaren – und darüber hinaus

Mit „Rollygeddon“ war Thomas Zeug an die Grenzen seines bisherigen Animationsprogramms angelangt. Er brauchte neue Software. Zwar standen 2008 schon Open Source Programme wie Blender zur Verfügung, doch der Trickfilmer fand sie damals noch zu wenig intuitiv. Er hörte sich erst einmal bei Bekannten aus der Branche um und setzte schließlich auf Profi-Software wie Maxon Cinema 4D für die 3D-Animationen und Adobe After Effects fürs Compositing. „Als zahlender Kunde kann man einfach gewisse Ansprüche stellen. Ein Vorteil dieser Kombination ist auch, dass diese Programme stark zusammenarbeiten, obwohl sie von unterschiedlichen Herstellern sind“, meint Zeug.

Am Anfang entwickelte Zeug zuerst die Figuren, Schauplätze und Gegenstände. „Bei einem Animationsfilm muss ja alles aus dem Nichts erschaffen und virtuell neu gebaut werden. Orientierungshilfe ist da das Drehbuch“, erklärt Zeug. Danach erfolgt der zeitintensivste Schritt: Die Animation. „Hier muss jede kleine Bewegung von Figuren und Gegenständen händisch erstellt und bearbeitet werden.“ Zeichnerisches Talent sei hier nicht zwingend, gibt Zeug zu bedenken. „Wichtiger ist, dass man Details und Abläufe im Kopf hat, dann braucht man sie quasi am Rechner nur noch nachzubauen.“ Auch hier macht Übung den Meister. Brauchte Zeug am Anfang der Produktion für eine Sequenz einen halben Tag, schaffte er Gleichartiges gegen Ende in einer Stunde. „Zum Ende hin habe ich teilweise 30 bis 40 Sekunden Animation an einem Tag geschafft.“ Die aufwändigste Szene spielt sich auf Quiquill, dem Heimatplaneten der beiden Chaoten, ab: Die knapp einminütige Szene, an der drei Wochen lang gearbeitet wurde, beinhaltet über 80 individuell animierte Charaktere, sowie mehrere Raumschiffe und eine detaillierte Stadt samt Skyline. Besonders stolz ist Zeug auch auf die mit mehr als 3.000 Schaltern und Hebeln ausgestattete Brücke der QSS Bulldock.

(copyright Thomas Zeug)
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Pro Einzelbild benötigte der Rechner durchschnittlich neun Minuten Renderzeit. Das klingt nach viel, aber Zeug weiß, dass bei komplexeren Bildern in Hollywood oft 50 Stunden pro Einzelbild gerendert wird. „Proll Out“ macht dann bei ca. 80.000 Einzelbildern 500 Tage Rechenleistung, rechnet der Animator vor – und das nur für die 2D-Version. „Das Rendern ist aber das geringste Übel, denn das geschieht ja von allein“, relativiert Zeug aber die zeitlichen Ausmaße: „Da kann man in die Arbeit gehen oder sich nachts schlafen legen.“ Um dem Film den letzten Schliff zu geben, griff Zeug auf das Wissen aus seiner Ausbildung zum Mediengestalter Bild und Ton zurück: „Ich habe viel gelernt, was vor allem das reale Drehen und die Videotechnik angeht. So machen Kameras minimale Fehler, wie z.B. Rauschen oder Überbelichtung. So seltsam es auch klingt, aber man kann eine computergenerierte Szene dadurch realistischer wirken lassen, indem man genau diese Fehler einbaut.“

Und jetzt in 3D, bitte schön

3D hat Thomas Zeug schon immer fasziniert, sogar noch vor dem Hype um James Camerons „Avatar“. Aus diesem Grund hatte er sich schon lange vor „Proll Out“ über die Technik informiert und erste Tests gemacht. Er findet, dass 3D sich bei Animationsfilmen geradezu anbietet, da man es verstärkt und genauer einstellen kann als bei einem Realfilm. „Man rendert die Szene einfach in zwei leicht versetzten Blickwinkeln – fürs rechte und fürs linke Auge – raus, und wenn was falsch ist, rendert man es eben noch einmal.“

(copyright Thomas Zeug)
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Seine Fortschritte bei „Proll Out“ überprüfte er anfangs noch mit einer Rot/Cyan-Brille, später mit professionellen polarisierten Monitoren. Ideen zur technischen Umsetzung holte er sich dabei von anderen Filmen. „Man kann mich des Öfteren dabei erwischen, wie ich im Kino in einem 3D-Film mal zwischendurch die Brille abnehme, um zu spicken, welche Kameraabstände die Profis so einsetzen. Da kann man viele Rückschlüsse auf die eigenen 3D-Shots ziehen und den einen oder anderen Trick konnte ich mir so schon von der Leinwand abgucken“, schmunzelt Zeug. „Allerdings habe ich 3D bei ‚Proll Out‘ immer mehr als Gag bzw. Zusatzfeature gesehen. Es gibt keine speziell geplanten Szenen dafür, da der Film wahrscheinlich auch zum Großteil in 2D gesehen wird.“

Im Animationsfilm hat Thomas Zeug auch einige Realszenen eingebaut. Ob es denn nicht ungewohnt sei, nach der ganzen Arbeit vor dem Computer auch mal mit echten Menschen zu drehen? Doch da winkt der Regisseur ab, da gebe es keinen Unterschied zwischen Realdreh und Animation: „Wenn man die Vision im Kopf hat, wie das Endergebnis aussehen soll, ist es nur noch das Rumwerkeln, bis es in die Tat umgesetzt ist.“

Ein Trickfilm lebt natürlich vom Sound. Zum Großteil stammen die Geräusche entweder aus dem Internet, wo Seiten lizenzfreie Sounds zum Tauschen anbieten, oder von Soundlibraries, die sich der Animator eigens für den Film gekauft hat. Einige Geräusche nahm der Filmemacher sogar selbst auf. So lieferte der CD-Wechsler seiner Stereoanlage das Motorengeräusch für die Solarpanels einer Mondsonde. „Ich bin mal mehrere Minuten auf meinem Bürostuhl rumgewetzt, nur um die passenden Effekte für das Knarzen von Quiquecks Captain-Sessel aufzunehmen.“ Den beiden Quiquillanern leiht Thomas Zeug seine Stimme, die bösen Prollianer werden von dem bekannten Synchronsprecher Santiago Ziesmer (u.a. Steve Buscemi, Steve Urkel oder Spongebob Schwammkopf) gesprochen. Den bombastischen Soundtrack komponierte der in Filmkreisen bekannte Florian Linckus, der für Zeug schon die Musik zu „Rollygeddon“ schrieb.

(copyright Thomas Zeug)
(copyright Thomas Zeug)
Nun ist „Proll Out“ abgeschlossen und der Film wird bei diversen Festivals eingereicht. Die 53 Minuten Spielzeit sind ein schwieriges Format und gehen weder als Kurz- noch als Langfilm durch. Zwar hat sich Thomas Zeug mit Benjamin Huber von Langmatt einen Filmproduzenten („Der Fall Max Mustermann“) ins Boot geholt, der Erfahrungen mit Kurzfilmprojekten und deren Vermarktung hat, aber wie es genau weiter gehen wird, weiß der Filmemacher selbst noch nicht. „Momentan arbeite ich an der DVD/Blu Ray zum Film, und dann müssen wir sehen, ob wir den Film selbst verkaufen oder über einen Vertrieb gehen.“ Zeug geht es ja auch nicht ums Geld verdienen. Zwar hat der Animationsfilm rund 12.000 Euro gekostet (die rund 10.000 Arbeitsstunden nicht eingerechnet), aber für ihn ist Filme machen vor allem ein Hobby.: „Es geht mir nicht darum, reich zu werden, sonst hätte ich lieber BWL studiert. Ich mache das in erster Linie, um mich kreativ auszuleben und Spaß daran zu haben. Das Ziel ist erreicht, wenn auch andere Menschen diesen Spaß spüren.“

Ein neues Projekt hat Zeug bereits in Angriff genommen, über das er aber noch nichts verraten will – außer, dass er es ebenfalls wieder independent stemmen möchte. „Ein großes Team ist ohne entsprechende Budgets nicht machbar. Und ich denke nicht, dass mir kleinem Hansl irgendein großes Unternehmen sein Geld anvertrauen würde“, gibt er sich bescheiden. Ob es ein Kurzfilm oder ein Spielfilm werden wird, liegt für ihn noch in den Sternen: „Ich plane eher kleine Projekte, was aber nichts heißen muss. ‚Proll Out‘ war anfangs ja auch nur als 10-minütiger Kurzfilm geplant. Ich möchte nicht wissen, wohin es ausufert, wenn ich mir mal einen 90-Minüter vornehme.“

Rodja Pavlik

INFO: Site von Thomas Zeug: http://www.filmzeugs.de; Quiqueck & Hämat-Site (Hörspiele): http://zwei-aliens.filmzeugs.de; Film-Site: http://prollout.filmzeugs.de; YouTube-Channel von Thomas Zeug mit jeder Menge Making Ofs: http://www.youtube.com/user/Jumperman

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