Biest


© Loom
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Ein Pärchen in der Krise. Ein Wochenende auf dem Berg soll’s richten. Vielleicht ist es aber keine so gute Idee, ein „Biest“ als Mediator fungieren zu lassen.

Seit dem 1. Mai läuft nun der steirische Indie-Film von Loom-Mastermind Stefan Müller („Jenseits“, „Tartarus“) in den österreichischen Kinos. Eines vorweg: Der Creature Horror-Film mit Peter „Ex-Jedermann“ Simonischek in einer Nebenrolle hat nicht zu Unrecht auf dem Fright Nights Film Festival in Wien die „Silberne Hand“ für den besten Indie-Langfilm erhalten. Toller Creature Horror made in A.

Andi (Paul Hassler) hat von einem Freund ein Haus am Berg gemietet. Sein Plan: Ein romantisches Wochenende mit Lena (Stephanie Lexer). Doch der ist so gar nicht nach Romantik zumute. Im Gegenteil: Für sie ist die Beziehung zu Andi eigentlich vorbei. Was sie da wohl geritten hat, doch noch ein paar Tage gemeinsam und einsam mit ihm zu verbringen, weiß sie wohl selbst nicht. Muss wohl an der guten, alten Zeit liegen, von der Andi mit zunehmender Verzweiflung ständig erzählt. Doch je mehr Andi sich engagiert, desto mehr droht ihm Lena zu entgleiten.

Erst langsam bemerken die beiden, dass ihr Auseinanderdriften nicht ihr einziges Problem in dieser menschenleeren Gegend ist. Etwas tötet Tiere. Große Tiere wie Rehe. Und dann taucht da auch noch dieser Jäger Franz Schenk (Peter Simonischek) auf, der seine Frau sucht. Die beiden hatten sich vor einigen Tagen gestritten – und nun sei sie weg, so Schenk.

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Andi und Lena können ihm nicht helfen. Aber etwas in der Sorge des Jägers um seine Frau berührt Lena so sehr, dass sie endlich die Auseinandersetzung mit Andi sucht. Woraufhin der am Abend alleine vor dem Fernseher einschläft. Und nicht mitbekommt, dass jemand… etwas… Lena in ihrem Zimmer einen Besuch abstattet. Und sie mitnimmt. Als Andi am Morgen darauf realisiert, dass Lena verschwunden ist, macht er sich auf die Suche nach ihr. Dabei stößt er auf Spuren, die ihn immer tiefer in eine mysteriöse und finstere Welt des Grauens führen…

Man mag es meiner Rezension von „Tartarus“ nicht anmerken, aber ich bin ein Fan der Gruppe Loom rund um Autodidakt Stefan Müller. Es ist zwar schon besser in der österreichischen Filmlandschaft geworden, aber es gab Zeiten, da wurde ja im heimischen Film der sozialdepressive Blick geradezu zelebriert. Insofern waren die fantastisch angehauchten Werke aus Graz – trotz ihrer Schwächen und Überlängen – eine willkommene Abwechslung. Endlich traute sich jemand, Genre-Kino zu produzieren. Und natürlich konnte so etwas vor ein paar Jahren nur aus dem Indie-Bereich kommen.

Meine Kritik an „Jenseits“ und „Tartarus“ punkto Überlängen bezog sich immer auf die Redundanz des Gezeigten. Es war immer klar, was Regisseur/Autor Stefan Müller erzählen wollte. Allerdings schien er sich immer selbst zu misstrauen und wiederholte ständig die Fakten. Das ist mit „Biest“ wohltuend anders geworden.

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„Biest“ selbst ist im Gegensatz zu den oben genannten Werken in erster Linie auch kein Horror-, sondern eher ein Beziehungsfilm. Das Pärchen, das sich auseinandergelebt hat, wird großartig von Paul Hassler und Stephanie Lexer (sie war übrigens auch für die „Silberne Hand“ als beste Darstellerin nominiert) verkörpert. Es gibt zwar längere Dialoge, die aber nie überlang wirken. Jeder Satz enthüllt einen neuen Aspekt der Beziehung. Und, oh Wunder, mit der anfangs eher unsympathisch wirkenden Lena empfindet man Mitleid – und das zu einem Zeitpunkt, wo sie das Biest noch nicht mal angerührt hat. Chapeau, Herr Müller – sowohl zu den Dialogen als auch zur Wahl der Hauptdarsteller.

Selbst das schauspielerische Schwergewicht Peter Simonischek („Gebürtig“, „Jedermann“) übertrumpft Hassler und Lexer nicht, sondern spielt quasi auf Augenhöhe mit den Newcomern. Was aber sicher auch daran liegt, dass Simonischek nur eine kleine Rolle hatte, die nicht viele Nuancen zu zeigen brauchte.

Kommen wir nun zu zwei Minuspunkten. Zum einen wäre da die sehr kurze Laufzeit von 75 Minuten. Wie bereits beschrieben, liegt das Hauptaugenmerk eher auf die Beziehung denn auf dem Biest. Bis Lena entführt wird, vergeht viel Zeit. Doch ab dann – ruck zuck – verwandelt sich Andi zum Helden und dringt ohne wirkliche Widerstände bis in das Heiligste der Bestie vor. Da hätte man sich doch mehr Raffinesse, mehr Twists, mehr Kampf erwartet.

Zum anderen… Man muss sich immer wieder sagen, dass dies mit einem Budget von 30.000 Euro ein Low-Budget-Film ist. Und dass man ein Haus nicht wirklich in die Luft sprengen kann, sondern CGI dafür verwendet, ist nun mal eine Kostenfrage. Aber… es stört halt doch. Auf der einen Seite gelingen Stefan Müller und Kameramann Martin Schneider wahnsinnig cineastische Bilder, auf der anderen Seite… Nun ja. Interessant aber auch, dass Müller, der in „Jenseits“ und „Tartarus“ seine Monster aus dem Computer bezog, diesmal auf ein echtes Monsterkostüm samt Schauspieler setzte. Wie Müller in einem Interview erklärte, wollte er am Drehort wirklich mit der Bestie arbeiten können – und das ist gut gelungen.

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Letztendlich betone ich nochmals, dass „Biest“ im Großen und Ganzen ein toller Creature Film made in A ist. Er erzählt zwar nichts Neues. Im Grunde könnte man auch meinen, dass die Geschichte von „Tartarus“ (inklusive einiger Drehorte) Pate gestanden ist. Aber wie Müller es erzählt, ist äußerst spannend.

Bei der Preisverleihung der „Silbernen Hand“ beim Fright Nights Film Festival verglich jemand gegenüber Regisseur Stefan Müller „Biest“ mit „Der Pakt der Wölfe“ von Christophe Gans. (Gut, ich persönlich hätte ja eher auf „The Descent“ getippt, aber was weiß ich schon…) Insofern kann man es als gutes Omen sehen, dass am gleichen Tag wie „Biest“ auch Christophe Gans’ neuer Film „Die Schöne und das Biest“ in den österreichischen Kinos angelaufen ist.

Rodja Pavlik

Interview mit „Biest“-Regisseur Stefan Müller

INFO: Loom/FlyOli: „Biest“ – A 2014, Creature Horror – ca. 75 min. Regie/Drehbuch: Stefan Müller. Kamera: Martin Schneider. Kameraassistenz: Senad Halibasic, Patrick Knapp, Andreas Zankl. Schnitt: Stefan Müller. Sound Design & FX: Steve Furry, FlyOli. Maske/MakeUp FX: Christina Halitzki. Ausstattung/Kostüm: Sandra Derler, Susanne Kirchner. Visuelle Effekte: Simon Wendler, Martin Ernst, Robert Niessner, Georg Marius. Produktion: Oliver Haas, Stefan Müller. Musik: FlyOli. Budget: ca. 30.000 Euro. Darsteller: Paul Hassler, Stephanie Lexer, Peter Simonischek, Marika Halitzki. Weitere Informationen unter www.baldkommtdasbiest.com

BIEST Kinospot from Stefan Müller on Vimeo.

14 Kommentare

  1. Hach, Loom. Das ist seit „Jenseits“ so eine Art Hassliebe. Einerseits bin ich auf jeden neuen Film gespannt, da sie ja wirklich eine Nische bearbeiten, die in Österreich von den etablierten Filmemachern leider kaum beachtet wurde/wird („Blutgletscher“ und „In 3 Tagen bist du tot“ sind da wohl eher die Ausnahme), andererseits bin ich von „Jenseits“ immer noch nicht überzeugt, und „Tartarus“ hat zwar eine gute Grundidee, aber die Ausführung hat mir stellenweise auch wieder nicht so gut gefallen.

    „Biest“ hingegen klingt sehr ansprechend. Vor allem dass man auf die billigen Computereffekte verzichtet und die Not zur Tugend macht. Ein Creature Feature mit „richtigem“ Monster. Das alleine ist schon Grund genug um ins Kino zu gehen.

    Leider: Wie ich schon bei „Noseland“ erwähnte, nimmt die heimische Presse kaum Notiz von den Indie-Filmen. Bei „Biest“ hält einzig die Kleine Zeitung die Fahne hoch.
    http://www.kleinezeitung.at/steiermark/suedoststeiermark/3622242/ein-klares-heimspiel-fuer-biest.story
    http://www.kleinezeitung.at/kaernten/klagenfurt/klagenfurt/3624238/stephanie-lexer-geheimnisvolle-premiere.story

    • Das Tragische an der heimischen Presse: Nachdem ich ja in DER Nachrichtenagentur des Landes arbeite… Du kannst als Redakteur machen, was du willst, du dringst in der Kulturabteilung nicht durch. Die wissen von „Noseland“, ich war öfters bei denen deswegen. Aber nein. Irgendwann gibt man es einfach auf und schreibt selbst seine Sachen. Zuletzt habe ich ihnen von einer Wiener Veranstaltung was gebracht, wo Andrew G. Vajna auftauchen wird. Ein US-Produzent, der halt für „Rambo“, „Total Recall“, das Wiederbeleben des „Terminator“-Franchise verantwortlich war. Und das stand auch so in der Presseaussendung. Und was kam darauf? „Wer ist bitte dieser Vajna?“

      Ja, Loom. Die sind ein Fall für sich. Wie Du bereits geschrieben hast: Die trauen sich an Sachen heran, die hierzulande sonst niemand wagt. Auch „Biest“ ist nicht perfekt – aber das ist der Laufzeit und dem geringen Budget geschuldet. Beim Erzählen an sich hat Stefan Müller einen gewaltigen Sprung nach vorne gemacht. Das ist leider das Pech der Amateure (zu denen Müller jetzt nicht mehr zählt – aber bei „Jenseits“ war es noch so): Wenn sie ihren ersten Spielfilm drehen, dann hoffen sie, dass sie die Welt einreißen mit ihrer Idee. Sehr oft geht der Film (auch aus berechtigten Gründen) unter, und das hinterlässt oft eine zerstörte Künstlerseele, die nie wieder einen Film drehen wird. Stefan Müller hat aber weiter gemacht – und man merkt, dass er besser wird. So ein, zwei Filme noch, dann könnte ihm der ganz große Film gelingen. Die Frage ist nur: Hält er so lange durch? Ich würde es begrüßen.

      • PS: Übrigens, lieber Dieter Mateschitz von Red Bull… ich hätte da so eine Idee für ein neues Magazin. ;-D
        #redbull #binkäuflich #tolleidee #filmemachersinddiegrößtenenergydrinktrinker

      • Klingt alles nicht gerade aufbauend und so sehr Herr Mateschitz ja mit Sicherheit ein neues Magazin stemmen könnte, so glaube ich, dass nicht einmal der große Mäzen sich da hinein wagen würde.

        Dass viele Indie-Filmemacher vom großen Durchbruch mit ihrem Herzensprojekt träumen und von der schwachen Rezeption aus allen ihren Plänen gerissen werden, ist ja ein altbekanntes Leiden. Umso erstaunlicher, wenn sich die Calwer-Filmemacher oder eben die Truppe rund um Loom so lange hält. In meinem ersten Jahr in Wien, sind mir einige Jungefilmemacher über den Weg gelaufen und von denen hat genau ein einziger es bislang geschafft, sich ein wenig in der Szene festzusetzen.

      • Wien ist – leider – für Indie-Filmemacher nicht unbedingt der geeignete Boden. Man kann sich hier vernetzen, aber die Medien, die Abspielstätten, usw. zeigen einem gerne die kalte Schulter. Da sind eben kleine bis mittelgroße Orte besser geeignet (eben Calw bzw. Graz). Da ist das Drehen eines Films an sich schon ein Ereignis, der gerne von lokalen Medien aufgegriffen wird.

  2. …und heute der große Schock.
    In Wien wird „Biest“ offenbar gar nicht mehr gezeigt! Klar, wenn ich am Wochenende ins Kino will, zeigens den in keinem Wiener Kino mehr. 😦

  3. Jetzt habe ich es auch endlich geschafft, und mir „Biest“ über Flimmit angesehen.
    Kann deiner Rezension kaum etwas hinzufügen, da ich dieselben Pro- und Kontra-Punkte gesehen habe. Schon eine gewisse Ironie. „Jenseits“ und „Tartarus“ waren viel zu lang und „Biest“ ist wieder viel zu kurz.

    Der Übergang von Beziehungsdrama (welches überraschend gut gelang) zu Creature-Feature war ein wenig zu flott und das am Schluss explodierende CGI-Haus muss man einfach hinnehmen. Ansonsten freue ich mich über eine weitere Steigerung von Stefan Müller. Von Film zu Film gefällt mir das immer mehr.

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